Fünf ♥

Tattoo

Als mein Mann und ich im Sommer 2004 heirateten, beschlossen wir, auch unsere Familienplanung in Angriff zu nehmen. Aber so einfach, wie wir uns das vorgestellt hatten, klappte es leider nicht. Ich hatte einen sehr unregelmäßigen und langen Zyklus und nach rund 1 Jahr vergeblichen Hoffens begaben wir uns daher zur Unterstützung in Kinderwunschbehandlung. Es brauchte zwar immer noch eine Weile, aber letztendlich nicht viel, nur ein leichtes medikamentöses „Anstupsen“ und im Frühjahr 2006 war ich zum allerersten Mal schwanger. Ich hätte die ganze Welt umarmen können. Dieses Glücksgefühl kann man schwer in Worte fassen. Dann kam der erste Frauenarzttermin und auch der zweite, aber außer einem kleinen Pünktchen in einer kleinen Fruchthöhle war nichts zu sehen. Kein Herzschlag. Auch beim nächsten Termin nicht. Unser Baby sollte nicht zu uns kommen. Wir waren unglaublich traurig, nach so langer Zeit hatte es endlich geklappt – und dann lag unser Glück in Scherben, bevor es richtig angefangen hatte. Aber wir hatten auch Hoffnung, denn immerhin wussten wir nun, dass ich schwanger werden konnte. Einzig dass ich nie einen Mutterpass für dieses – unser erstes – Baby bekam, bedaure ich sehr. Wenigstens musste ich aufgrund des frühen Zeitpunkts der Fehlgeburt nicht ins Krankenhaus zur Ausschabung und die Natur regelte den Abschied von alleine. Einen Monat setzten wir mit der Behandlung aus. Im nächsten klappte es dann erneut – die Traumtänzerin war auf dem Weg in unser Leben – und machte uns im März 2007 endlich zu Eltern.

Als sie etwa 1 Jahr alt war, beschlossen wir, die Sache mit dem Geschwisterchen einfach drauf ankommen zu lassen. Wir gingen nicht in die Kinderwunschklinik, sondern schauten mal, was die Natur so machte. Im August jenes Jahres wurde ich 30 und feierte mit ein paar Freunden bei uns zu Hause. Am Morgen der Party machte ich einen Schwangerschaftstest – und die 2. Linie ließ nicht lange auf sich warten. Das war das schönste Geburtstagsgeschenk der Welt!
Mitte September ging ich zum Frauenarzt und als die Ärztin das klopfende Herzchen auf dem Monitor erkannte, brach ich vor Erleicherung in Tränen aus. Erst da wurde mir bewusst, wie viel Angst ich gehabt hatte. Ich hatte kein gutes Bauchgefühl gehabt – und mein Bauch sollte Recht behalten – 2 Wochen später konnte die Ärztin keine Herzaktionen mehr sehen. Mir war sofort klar, dass unser Baby nicht mehr lebte. Aber da der HCG-Wert nach wie vor stieg (mein Körper hatte den Verlust schlicht noch nicht begriffen), wurde abgewartet. Immer wieder musste ich zum Blutabnehmen kommen – für mich waren das sehr belastende 2 Wochen. Denn ich wusste, dass unser Kind nicht mehr lebte und die Abwarterei machte es nicht besser. Mitte Oktober 2008 stand es schließlich fest, ich sollte zur Ausschabung in die Klinik. Ich vereinbarte direkt vor Ort einen Termin für den nächsten Morgen. Am Nachmittag desselben Tages setzten Wehen ein. Wir fuhren ins Krankenhaus, die Traumtänzerin im Gepäck – ich weiß noch genau, wie sie im Krankenhaus ihre Milchflasche trank. Die Wehen wurden stärker – ich schaffte es nicht mehr zur Untersuchung. In der Toilette des Krankenhauses verlor ich unser Baby – eine sehr traumatische Erfahrung, die mich heute noch immer wieder einholt. Noch am selben Tag musste ich direkt in den OP und da es schon Abend war, auch die Nacht im Krankenhaus verbringen. Ich weiß noch, wie ich in dem tristen Einzelzimmer lag und schrecklich fror und weinte und weinte. Die Seelsorgerin, die nach mir schaute, schickte ich weg, ich wollte nicht reden, schon gar nicht mit einer Fremden und was hätte sie auch tun können – mein Baby konnte mir niemand wiederbringen.
Diesmal dauerte es etwas länger, bis meine Seele und mein Körper bereit waren für eine erneute Schwangerschaft. Aber im Frühjahr 2009 wurde ich schließlich wieder schwanger – auch diesmal ohne Hilfe – und das Lausdirndl machte sich auf den Weg zu uns. Im Dezember 2009 waren wir glücklich zu viert.

Unsere beiden Sternenkinder waren noch zu klein, als dass ich ihre Bewegungen hätte spüren können. Ich weiß nicht, ob es Jungen oder Mädchen waren und Namen hatten wir auch noch keine. Aber für mich gehören sie dazu – genau wie unsere lebenden Kinder – und es machte mir zu schaffen, dass sie so „ungreifbar“ schienen, dass sie keinen Platz in unserer Mitte hatten. Darum ließ ich mir schließlich ein Tattoo stechen – auf der Innenseite meines linken Oberarms, nah am Herzen – das all unsere Kinder symbolisierte. Die beiden Anfangsbuchstaben der Traumtänzerin und des Lausdirndls sowie zwei Sterne, für unsere Sternenkinder. Das half mir, denn nun sind sie sichtbar und manifestiert – es ist schwer zu beschreiben, aber so ist mein Gefühl.

Tja – und dann, 6 Jahre nach der Geburt des Lausdirndls, machte sich ein weiteres Mädchen auf den Weg in unser Leben und unsere Herzen. Sieht so aus, als müsste ich nach der Stillzeit wohl nochmal zum Tätowierer – obwohl ich eigentlich keine weitere Farbe mehr unter der Haut wollte. Aber das Nesthäkchen gehört dazu – auch auf meinem Arm. Dann habe ich unsere Kinder wieder komplett – alle fünf!

Tattoo5

So ähnlich könnte das dann demnächst aussehen ;-)

 

Edit: Ich habe lange überlegt, ob ich über meine Fehlgeburten im Blog schreiben möchte. Nicht weil es mir unangenehm oder gar peinlich wäre! Aber weil es ein sehr persönliches und sensibles Thema ist. Letztendlich haben mich zwei Dinge überzeugt, auf „veröffentlichen“ zu klicken.
Erstens: vielleicht hilft es ja anderen, die ebenfalls eine oder mehrere Fehlgeburten erleben mussten, zu lesen, dass es anderen auch so erging. Dass die Trauer legitim ist und nicht heimlich bleiben muss. Dass es egal ist, in welcher Woche man ein Baby verliert oder ob man bereits das Herz schlagen gesehen oder Tritte gespürt hat. Jeder Verlust schmerzt – und nur weil es noch in den bekanntlich kritischen ersten 12 Wochen passiert oder weil man „ja schon ein lebendes Kind hat“, kann es einem trotzdem den Boden unter den Füßen wegziehen. Das sollte man auch offen sagen und zeigen dürfen, wenn man das möchte.
Der zweite Grund ist ganz einfach – so wie unsere beiden Sternchen einen Platz auf meinem Arm bekamen, sollen sie auch im Blog einen kleinen Platz bekommen. Denn sie gehören eben dazu – genau wie ihre 3 lebenden Schwestern.

4 Kommentare

  1. Danke !
    Ich weiß leider genau wie schwer diese Wege sind u man Nie vergisst!

  2. ❤️ Danke für diesen Post. Das Thema ist zu wichtig, als dass man es totschweigen sollte.
    Vivi, mit einem Sternchen im Herzen und zwei Prinzessinnen an der Hand

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